Tagesgedanken vom 30.11.2015

Tagesgedanken

Der Musikant

Neulich war ich unterwegs zu einer kurzen Besorgung, als ich ihn wieder sah. Er saß am Rand des Bürgersteiges, in der Nähe eines Zebrastreifen, mitten in der Stadt.

Ich freute mich, als ich die kleine, gedrungene Gestalt des alten Mannes erkannte, der die Passanten mit seiner Musik bespielte. Seine Ziehharmonika hatte schon bessere Tage gesehen, wie sein Besitzer sicher auch. Er spielte und spielte und bedachte jeden, der ihm ein paar Cent zuwarf mit einem freundlichen, nahezu zahnlos lächelnden Dankeschön.

Wie immer, bedankte auch ich mich für seine Musik mit ein paar Münzen, doch dieses Mal sprach er mich an. Er erzählte mir mit den wenigen Worten, die er in unserer Sprache zu sprechen vermochte, etwas über sein Leben.

Die Menschen um uns herum zogen große Kreise, als hätten sie Furcht, in seinen Bann gezogen zu werden. – Warum, fragte ich mich. Dieser Mann ist ein Mensch, genauso wie wir. Er brauchte Geld und wenn man ihn genauer betrachtete, konnte man, gleich welcher Hintergrund den Mann bewog, auf die Straße zu gehen, sehen, dass er über wenig finanzielle Mittel verfügen musste.

Würde er sich wohl sonst an den Rand der Straße setzen, bei kaltem Wetter und fern der Heimat, die er sicher genauso liebte, wie seine Frau, die, offenbar krank, in die Heimat reisen sollte und für die er so dringend Geld zu erspielen suchte.

Und würden wir uns wohl freiwillig, ohne besonderen Grund, in eine solche Situation begeben?
In seinen Augen glänzten Tränen und der Mann wirkte alles andere , als glücklich, doch die Vorweihnachtszeit mochte in hoffnungsvoll stimmen.

Wahrheit oder Lüge, es ist ohne Belang. Macht es uns wirklich ärmer, einem am Straßenrand sitzenden Menschen etwas in die Hand zu drücken? Ich gebe zu, dass auch ich an den Knienden mit ihren Bechern schon vorbei gegangen bin, im Hinterkopf den Gedanken, dass man ihnen sicher die paar erstandenen Euro abnehmen würde und ich ihnen wünsche, dass sie eine andere Beschäftigung finden mögen.

Offenbar sahen sie genau in dieser Tätigkeit die einzige Möglichkeit, in diesem Moment an Geld zu kommen und stand es mir wirklich zu, so zu denken?

Die Geschichte des Mannes berührte mich und ich wünsche ihm von Herzen, dass sein Spiel Gehör findet, damit sein Leben eine Chance auf eine glückliche Wendung nimmt.

Für mich selber wünsche ich mir, dass ich, was auch geschieht, immer in der Lage bin, den Menschen im Menschen zu erkennen.

Alles Liebe mit vorweihnachtlichen Grüßen
Isabelle Hassan

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